Über das Performance Dinner


"When is food art?"

"Always, if the person eating or cooking it or serving it allows it to be in their mind."

Todd Selby und Grant Achatz im Gespräch: Edible Selby

 

 

Ein Leben ohne Kunst, Essen und Kochen ist möglich, aber sinnlos. Die Freude, die ein jeder dieser Aspekte geben kann – sei es für einen selbst oder gemeinsam mit Freunden und Familie – ist mit nichts anderem vergleichbar. Die Beschäftigung mit Kunst schärft den Geist und lässt den Zuschauer auf eine gedankliche Reise durch Zeit und Raum wandern: Was hat sich der Künstler /die Künstlerin dabei gedacht, was löst das Werk in einem selbst aus, was hätte man selbst vielleicht anders gemacht ... Genauso verhält es sich auch mit Essen und Kochen. Man ist neugierig, probiert Neues aus, kocht aber auch immer wieder seine Leibspeisen, ändert diese leicht ab, lernt durch neue Rezepte hinzu und eignet sich neue Ideen an. Wie schon im oben angeführten Zitat zum Ausdruck gebracht, sind Essen und Kochen eine Kunstform, wenn man sich gedanklich darauf einlässt und der künstlerisch-kulinarischen Fantasie keine Grenzen setzt. Alles kann zur Inspiration werden und Kunst, Essen und Kochen einen gemeinsamen Nenner geben: Genuss!

 

Meine Performance Dinner entstanden ab 2010 als neuer Aspekt der Eat Art. Zeitgleich mit dem Beginn der Performance Dinner-Reihe setzte der Boom der Guerilla-Restaurants ein. Diese wurden meist von freischaffenden Personen aus dem Kunstbereich organisiert, die ihre Ateliers oder Wohnzimmer einmal in der Woche zu Restaurants mutieren ließen. Obwohl ich die Idee spannend fand, an einem fremden Ort zu essen, wurde in den Guerilla-Restaurants doch fast stets nur gut gemachte Hausmannskost aufgetischt. Genauso wie bei Daniel Spoerri, dem Erfinder der Eat Art, standen eher das außergewöhnliche Event sowie das Zusammentreffen fremder Personen im Vordergrund. Obwohl dies auch für mich die Hauptdarsteller waren, wollte ich noch zwei weitere Ebenen hineinweben: die der „feineren“ Speisen und die der Kunst!

 

Zwei Künstler beeinflussten die Weiterentwicklung meiner Performance Dinner in den folgenden Jahren: der Amerikaner Gordon Matta-Clark und der Taiwanese Rirkrit Tiravanija. Der Architekt und Künstler Matta-Clark betrieb mit seiner Partnerin und weiteren Helfern Anfang der 1970er Jahre ein Restaurant in New York. Dieses war darauf ausgelegt, dass Freunde und Bekannte beim Kochen mithalfen oder gar für eine gewisse Zeit die Chefposition einnahmen (und dafür die Erlöse des Restaurants erhielten). Tiravanija auf der anderen Seite ist ein Peformance Künstler par excellence, der in den 1990er Jahren mit seinen Thai Green Curry-Performances bekannt wurde. Hierbei erhielt er von Galerien Zugang zu Ausstellungsräumen, aber statt Gemälden, Skulpturen oder anderen Arbeiten stellte er Tische, Kochzutaten und Rezepte aus. Er bereitete mit den Gästen ein Curry zu, das sie gemeinsam verzehrten und dabei über Gott und die Welt – inklusive Kochen und Kunst – sprachen. Auch bei meinen Performance Dinners steht der Kontakt zwischen den Menschen, die gemeinsam kochen und essen, im Vordergrund. Dabei werden Speisen serviert, deren Kreation von Künstlern und ihren Werken beinflusst wurde, aber auch biografische Elemente mit einbeziehen.  Da wären zum Beispiel die Radieschen die man öfters als Bildelement in Elvira Bachs Gemälden findet, die ich als Dessert mit Rührkuchen und Marzipan nachstelle, oder ein Schokoladendessert mit Avocado und Limette, welches optisch und farblich ein Otto Piene-Rauchbild widerspiegelt.

 

Die Performance Dinner finden an „essfremden“ Orten statt, nämlich in Museen und Galerien. Dort gibt es meist keine Küchen – wenn man Glück hat, steht aber immerhin ein Kühlschrank vor Ort und ein Spülbecken. Ich koche also auf kleinen Flächen, rücke mit Koch- und Warmhalteplatten an, habe zwei Tische, die zum Anrichten herhalten müssen und viele Bananenkisten zum Verstauen. Seit sechs Jahren veranstalte ich nun eigene Performance Dinner – vom ersten als museumspädagogischem Begleitprogramm zur Ausstellung Manna von Rosa Loy bis zum letzten über Pop Art, Lori Hersberger, David Lynch, Picasso u.v.a. –, von denen nun erstmals ausgewählte Rezepte von sechs Performances erscheinen und Lust machen sollen, Kunst kulinarisch zu erfahren. Den einzelnen Rezepten sind jeweils Biografien der Küstler und Künstlerinnen vorangestellt, die als Inspirationsquelle gewirkt haben, um die Verbindung zwischen ihnen und den von mir entwickelten Speisen zu veranschaulichen.

 

 

Es ist genau diese Verbindung aus fremder Kunst, einer zusammengewürfelten Gruppe an interessierten Menschen, küchenfernen Ess-Orten und spannenden Gerichten, die die Performance Dinner zu einem vielfältigen und spannenden Projekt machen.